Es gibt eine Menge Gründe, warum Segeln beliebt ist. Über die Nachteile ihres Sports sprechen begeisterte Segler dagegen lieber nicht. Wir brechen in dieser humoristischen Betrachtung das Schweigen.
Piloten sagen manchmal, ihr Job bestehe aus 10 Minuten Stress pur (beim Starten), gefolgt von mehreren Stunden Langeweile, gefolgt von 10 Minuten Stress pur (beim Landen). Yachtsegler können hier gut mitfühlen. Allein der Gedanke an An- und Ablegemanöver in einem engen Hafen läßt manchem Segler die Schweißperlen auf der Stirn stehen. Vor allem bei den vielen Charterern, die oft nur ein- oder zweimal im Jahr ein Boot führen, dürfte für Adrenalin beim An- und Ablegen gesorgt sein – zumindest am Anfang des Segelurlaubs. Wer glaubt, ich spinne hier nur Seemannsgarn, muss nur mal in einer gut sortierten Buchhandlung bei den Segelbüchern stöbern: „Hafenmanöver“, „Hafenmanöver Schritt für Schritt“, „Stressfrei An- und Ablegen“, „Manövrieren leicht gemacht“: die Bücher zum Thema sind Legion.
Zu allem Überfluss bilden die An- und Ablegemanöver auch das Schauspiel, das man Hafenkino nennt. Zugegeben: wenn man selber vom Steg oder dem Cockpit seiner Yacht aus zuschaut, kann das wirklich großes Kino sein. Aber als Protagonist des Ganzen hofft man dann doch lieber auf eine Heldenrolle mit perfekten Manövern. Ich habe jedenfalls noch keinen Segler kennengelernt, der es genossen hat, unfreiwilliger Star einer Slapstick-Einlage zu werden.
Ganz großes (Hafen)Kino
Zumal solche Slapsticks oft mit Szenen verbunden sind, die selbst die beste Beziehung auf die Probe stellen können. In solchen Situationen rät das empfehlenswerte Buch „Stressfrei Segeln“ dehalb: „Als erstes gilt: Nicht laut werden, niemanden anschreien. Nicht unnötig Vollgas oder wie wild Bugstrahlruder geben. Auch ‚Liebling‘ mit gereiztem Unterton zu rufen, hilft jetzt nicht mehr.“ Stattdessen solle man so tun, als wäre alles in bester Ordnung und als hätte man absolute Kontrolle. Andernfalls drohe einem das Schicksal, unfreiwillig zum Einhandsegler zu werden – nachdem man durch sein Verhalten nach und nach die gesamte Familie vergrault hat.
Dabei funktioniert das Zusammenleben an Bord einer Segelyacht sowieso wie ein Brennglas, unter dem der wahre Charakter eines Menschen schnell zum Vorschein kommt. Man kann natürlich die positive Seite davon sehen und grundsätzlich alle seine Freunde – und insbesondere potentielle Lebenspartner – auf einem mindestens einwöchigen Segeltörn einem Charaktertest unterziehen. Mit dem Ergebnis muss man dann aber auch leben können. Wer dagegen zum Mitsegeln eingeladen wird sollte sich bewusst sein, dass da vielleicht auf ihn oder sie eine Prüfung zukommt.
Segeln – die Kunst, nass und krank zu werden, während man unter hohen Kosten langsam nirgendwohin treibt. Henry Beard & Roy McKie
Dies gilt umso mehr für jemanden, der überhaupt zum ersten Mal auf einer Yacht segeln. Denn höchstwahrscheinlich wird er oder sie auf dem ersten (richtigen) Törn irgendwann seekrank. Das gilt natürlich nicht für jeden. Und es hängt selbstverständlich auch vom Seegang ab. Es gibt aber nicht wenige Segler, die nur über die Jahre immer robuster wurden und in ihrer Anfangszeit bisweilen die Fische fütterten. Selbst Hornblower war bekannt dafür, dass er seekrank wurde. Gut, Hornblower ist ein fiktiver Charakter – aber von Admiral Nelson wird dasselbe berichtet.
Gott sei Dank gibt es Ölzeug und Seestiefel
Apropos Hornblower. Der ist ja im ersten Kapitel des ersten Buches als junger Fähnrich nicht nur seekrank, sondern auch völlig durchnässt vom Spritzwasser, als er den Dienst auf einem Linienschiff der britischen Marine antritt. Womit wir bei einem weiteren Grund wären, warum Segeln (k)eine gute Idee ist. Denn dass man selbst bei schönstem Wetter an Bord so nass werden kann, als hätte man sich unter eine Dusche gestellt, weiß jeder, der mal bei stärkerem Seegang auf dem Vorschiff arbeiten musste. Zum Beispiel beim Bergen einer klassischen Fock mit Stagreitern. Wer kein reiner Schönwettersegler ist, wird außerdem die Erfahrung gemacht haben, dass Regen auf See oft in Form starker Schauer runterkommt. Gott sei Dank gib es Ölzeug und Seestiefel.
Oder man bleibt bei Schietwetter eben im Hafen. Dort wird man dann aber mit einem weiteren Unbill des Segelns konfrontiert. Denn obwohl Yachtsegeln ein durchaus teures Hobby ist, fühlt es sich doch irgendwie wie ein Campingurlaub an – zumindest, was die sanitären Anlagen angeht. Die sind zwar in deutschen Landen – oder überhaupt im nördlichen Europa – gar nicht so schlecht. Wer aber gerne und viel im Mittelmeer unterwegs ist, weiß, wovon ich spreche. Auf den meisten Yachten sind überdies die Nasszellen an Bord nur unzureichender Ersatz für eine anständige Dusche an Land. Wieso bei einem Sport, bei dem das dazu notwendige Gerät leicht einige hunderttausend Euro kostet, ausgerechnet bei den sanitären Anlagen gespart wird, verstehe wer will.
Warum Segeln Bootseigner ins Grübeln bringen sollte

Sunk costs in ganz neuer Bedeutung
Die Anschaffungskosten einer Segelyacht leiten übrigens wunderbar zum nächsten Punkt über. Wobei Leser, die kein eigenes Boot besitzen, sich ab jetzt schadenfroh zurücklehnen können, denn die folgenden Gründe, warum Segeln (k)eine gute Idee ist, gelten nur für Bootseigner. Fangen wir mit einer ganz simplen Beobachtung an: was sieht man für gewöhnlich, wenn man an einem Yachthafen vorbeikommt? Richtig: eine ganze Menge Schiffe. Die verbringen nämlich weit mehr Zeit im Hafen als auf See. Wenn man sich überlegt, was für ein Kapital da ungenutzt rumliegt, bekommt der in den Wirtschaftswissenschaften geläufige Ausdruck sunk costs eine ganz neue Bedeutung. Eine Segelyacht zu besitzen ist zweifellos mit vielen Vorzügen verbunden – meist ist Chartern aber die wirtschaftlich klügere Wahl.
Zumal es in einem Sprichwort heißt: Zeit ist Geld. Denn ein Eigner verbringt oft mindestens soviel Zeit mit der Pflege des Schiffes wie mit seiner Nutzung. Man stelle sich vor, das würde für Autos gelten. Zugegeben: es gibt wie bei den Autofahrern schon so manche Schrauber, die nichts schöner finden, als ständig an ihren Fahrzeugen rumzuwerkeln. Für andere ist das aber nur ein notwendiges Übel. Um das zu vermeiden ist Chartern auch hier die bessere Wahl.
Warum also segeln, angesichts all dieser Gründe, die doch scheinbar dagegen sprechen? Sicher ist: wer immer eine Yacht besitzt oder segelt, hat sich von ihnen nicht abschrecken lassen. Was, zum Abschluss, vielleicht ein weiteres Sprichwort bestätigt: Liebe macht blind